Chatroulette ist den meisten Menschen ein Begriff, auch wenn sie es selbst noch nicht genutzt haben. Kein Wunder, es gab eine Zeit, da ging das Konzept viral.
Bereits vier Monate nach dem Startschuss im November 2009 erreichte Chatroulette über 1,5 Millionen Besucher pro Tag. Details über die neue Plattform sprachen sich im Netz herum und lockten selbst Prominente an, um es auszuprobieren. Nutzer haben bereits Screenshots von ihren Chatroulette-Begegnungen mit u.a. Justin Bieber, Ashton Kutcher, Jessica Alba und vielen weiteren in den sozialen Netzen geteilt. Weitere wurden berühmt indem sie ihre ausgefallenen Ideen mit anderen via Webcam teilten: Beispielsweise durch improvisierte Piano-Einlagen für ihre Partner oder das Tragen von Cosplay-Kostümen zum Amüsement der Fremden mit denen sie zusammengewürfelt wurden.
Aufgrund des Phänomens fingen Filmstudios und andere Firmen an, Chatroulette als Plattform zur Vermarktung von Filmen und anderen Produkten zu verwenden. Am Bemerkenswertesten war die Video-Promotion des Films „Der letzte Exorzismus“ aus 2010: Teilnehmer dachten, sie würden mit einer hübschen Brünette verbunden die schüchtern in die Kamera schaut und ihre Bluse aufknöpft. Als sie wieder in die Kamera schaut, rollen ihre Augen nach hinten und Risse werden um ihre Augen sichtbar. Der Stream wird unterbrochen als sie den Bildschirm angreift. Ihr Fenster wird schwarz und die offizielle Webseite des Film wird eingeblendet. Diese Promo ging viral, nicht zuletzt dadurch dass dutzende YouTube-Nutzer ihre Reaction-Videos dazu posteten.
Die Ungezwungenheit von Chatroulette wurde schnell sein Untergang. Innerhalb kürzester Zeit zeigten sich Nutzer bei der Durchführung von obszönen Handlungen auf der Seite.
Eine Analyse der Softwarefirma RJMetrics – spezialisiert auf die Auswertung von Big Data – zeigte 2010, dass einer von zehn Chats ab18-Inhalte (oder schlimmer) beinhaltete. Aufgrund dem Mangel an Authentifikation und Überwachung wurde der Service schnell als „Paradies für Sextäter“ bezeichnet.
Ebenfalls gab es eine kontroverse Online-Darbietung des Künstlerduos Eva und Franco Mattes, in welcher das Gegenüber ein zugemülltes Zimmer mit einer von der Decke hängenden Leiche gezeigt bekamen. Die Reaktionen darauf reichten von Angst über Ekel bis hin zu Spott. Die Performance mit dem Namen „No Fun“ wurde bei YouTube gesperrt, ist allerdings auf Vimeo bis zum heutigen Tage verfügbar.
Als Antwort auf den öffentlichen Aufschrei implementierte der Betreiber eine Gesichtsüberprüfung. Bis zum heutigen Tag kann die Seite User mit der Mitteilung „Search rejected due to the detection of a possible under-age face.“ („Anfrage aufgrund möglicher Erkennung eines minderjährigen Gesichts zurückgewiesen.“) ablehnen. So schmeichelhaft das auch für die Artikelschreiberin ist: Wenn das System falsche Ergebnisse für definitiv volljährige Individuen liefert – wer kann sagen ob es nicht auch fälschlicherweise Minderjährigen den Zugang ermöglicht?
Mittlerweile kann man auch unangemessenes Verhalten der Nutzer bei Chatroulette melden. Nach einem Klick auf den Report-Button siehst Du die Nachricht „User reported“ („Nutzer gemeldet“) und wirst mit dem Nächsten verbunden. Wir werden im Unklaren darüber gelassen, ob der gemeldete User zukünftig von der Nutzung der Seite ausgeschlossen wird oder nicht.